Es ist immer wieder interessant wie sich eine Stadt entwickelt, wenn man sie im Abstand von 20 Jahre wieder mal besucht. Santiago (Heiliger Jacob) ist nach Jacobus, einer der 12 Jünger Jesus benannt, der nach Christi Himmelfahrt versucht hat in Nordspanien die Menschen zu missionieren. Angeblich mit wenig Erfolg, trotzdem sollen seine Gebeine über Umwege wieder in Santiago gelandet sein.
Die Stadt begrüßte mich wie damals mit ergiebigen Regen. Ob die durch den Regen erzeugte gebückte Haltung eine ehrfürchtige Stimmung auslösen soll ist nicht belegt. Damals ist mein Gepäck nicht angekommen und so lief ich seinerzeit bei 10 Grad, Wind und Regen in kurze Hose und T-Shirt herum, bis 24 Stunden später meine Sachen mit dem Taxi ins Hotel geschafft wurden.
Über ausgiebige Umwege gelangte ich diesmal in die Altstadt und wunderte mich über ihre Ausmaße. So verwinkelt hatte ich sie nicht in Erinnerung. Jährlich besuchen ca. 75000 Pilger Santiago über den Jacobsweg, doch die meisten benutzen heute moderne Wanderstöcke der Marke Leiki und weniger die Holzwanderstäbe, deren klackern man in den Gassen besonders vernehmen konnte, auch die typische Muschel und der Kürbis scheinen nicht mehr so häufig mit geschleppt zu werden. Trotzdem bringt dieser Wandertourismus internationales Flair in die Gemeinde und schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die Kathedrale hatte ich noch größer in Erinnerung. Imposant ist sie immer noch mit all ihrem Goldverzierungen. Damals wärmte ich mich dort regelmäßig auf und hörte mir alle 2 bis 3 Stunden die Predigten an, wo ich das Gefühl hatte das die Gläubigen immer eine gehörige Standpauke zu hören bekamen. Gestern, am Sonntag bekam ich sowas nicht mit. Auch die Wachskerzen wurden durch Led-Kerzen ersetzt, die sich entzünden, wenn man sie mit Euros füttert. Ein bescheidenes Schild wies darauf hin, dass man keine Scheine akzeptiert. Auch die vielen Beichtstühle waren verweist, während die Zugänge zu den Reliquien Warteschlangen aufwiesen.
Vor der Tür saßen in regelmäßigen Abständen die osteuropäischen Profibettler, alle mit einem sehr ähnlichen Pappschild vor sich, allerdings hatte ich nicht das Gefühl, das sie mit ihrer Tätigkeit große Reichtümer anhäufen könnten. Die Nächstenliebe hört dann doch irgendwann auf.
Ich verlasse Santiago wieder mit dem Bus und bin froh es wieder gesehen zuhaben