Höllenritt nach Rio

Wie oft im Leben fing es harmlos und doch erwartungsvoll an. Der Wetterbericht sagte erst wenig Wind voraus und dann langsam zunehmend aus der richtigen Richtung. Und da ich nicht noch eine Woche länger in Arrial bleiben wollte musste ich auch los, denn ansonsten war Westwind angesagt und 65 Meilen wollte ich auch nicht kreuzen.

Am Abend hatte ich Tara von Arrial zum Strand vor dem Cabo Frio verlegt, um dort alleine die Abendstimmung zu genießen und einen günstigeren Ausgangspunkt für den frühen Start zu haben.

Um 6 Uhr morgens ging der Anker hoch und ich genoss den Sonnenaufgang und das frühe ruhige Wasser. Der Wind schlief noch, doch der Genacker war schon vorbereitet für den kommenden Wind.

Die Thermik brachte erst Landwind und ich lief bald unter Vollzeug in die richtige Richtung und freute mich schon auf Rio, wo ich schon 1998 und 2001 war. Der Wind begann bald zu drehen und ich setzte das bunte Tuch. Mit 5 bis 6 Knoten Fahrt ging es voran und anfänglich deutete nichts auf eine baldige Wetterverschlechterung hin, die ja auch nicht angesagt war. Man sagte 14 Knoten Wind an mit Böen von 22 Knoten, was auf Regenfronten schließen ließ.

Ein paar Fischer kreuzten unseren Weg und weit draußen im tiefen Wasser fuhren Tanker und Frachtschiffe ihre Güter von A nach B. Wir kamen gut voran und ich rechnete mit einer Ankunftszeit zwischen 20 und 22 Uhr. Aus Süden kam immer mehr Bewölkung auf und die Atlantikdünung wurde ernstzunehmend höher und höher. Da musste es irgendwo reichlich Wind geben, dachte ich mir. Als dann auch bald der Wind auffrischte und wir ständig unter Genacker deutlich über 6 Knoten liefen holte ich ihn herunter und setzte wieder Genua und Groß. Mit unverminderter Geschwindigkeit ging es weiter. Die See wurde weißer und weißer und bald lief Tara unter gerefften Segeln. Die angesagten 22 Knoten waren längst erreicht, aber nicht in Böen, sondern als relative Konstante, während der Himmel sich immer drohender verdunkelte und zuzog.

Ein kleines Fischerboot beobachtete ich schon länger, da es fast bedrohlich nahe kam. Letztendlich ging es hinter mir durch und steuerte zielstrebig auf einige Inseln nördlich von uns zu, wahrscheinlich um Schutz zu suchen vor dem was da kommen sollte. Früh schaltete ich daraufhin die Dreifarbenlaterne ein und reffte weiter – und plötzlich ging der schon erwartete Spuk los. Gepfefferte Böen fielen über Tara her, gefolgt von pfeifenden Wind, das Großsegel war längst eingerollt und von der Genua stand nur noch ein taschentuchgroßes Stück. Das war so nicht angesagt und auch nicht erwünscht. Die Wellen waren sicherlich 4 bis 5 m hoch. Im Wellental sah ich nur Wasser um mich herum und auf den Wellenbergen erkannte ich Schiffe und die Lichter von Rio. Wellen mit weißer nach vorne geworfener Gischt dreschten auf Tara ein und explodierte teilweise am Rumpf, ging hoch und überspülte das Deck. In den Böen, die mit 30 bis 35 Knoten daher kamen luvte Tara an und dann lag sie fast quer zur Welle, während sie mit über 7 Knoten dahin preschte.

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Ich steuerte die vor Rio liegenden Inseln an, wo es zwischendurch gehen sollte. Doch in der Durchfahrt schien eine neue Bohrinsel zu liegen. Erleuchtet wie ein Weihnachtsbaum stand sie hoch und bunt, fürs Auge nicht erkennbar, in oder hinter der Einfahrt. Darauf wollte ich mich nicht einlassen, es war eh schon eng dort und bei den Wellen und der Dunkelheit gab es keinen Platz für Spielchen. Zwischen der zweiten und dritten Insel ging es dann letztendlich durch, getrieben von den brechenden Wellen, die immer noch gischtsprühend zum starken Regen die Sicht stark behinderten. Auch die nächste Abkürzung wurde gemieden, zu eng, zu flach, ganz nach dem Motto meines Freundes Hans:“An Vorsicht ist noch keiner gestorben!“

Vor Urca, ein Stadtteil Rios direkt unter dem Zuckerhut, wo auch die Uni beherbergt ist, ging ich nass und leicht frierend zwischen einigen Fischern vor Anker, gespannt wo ich letztendlich gelandet bin, denn das war bei der schlechten Sicht nur zu erahnen und so war ich gespannt darauf was der Morgen bringt.

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