Rio – welch schön gelegene Metropole! Zum dritten Mal, nach 1998 und 2001, bin ich nun in Rio – und was soll ich sagen? Sie ist immer wieder faszinierend schön. Die Küste des Atlantiks und die Steilhänge der umliegenden Berge engen die 7-Millionenmetrolpole ein und die Hochhäuser schießen immer weiter nach oben, während die Favelas (die Armenviertel) immer weiter die Berge nach oben rutschen. Die Einwohner, trotz ihrer Probleme, haben sich vielleicht gerade wegen ihrer Schönheit ihre Lebenslust bewahrt. Samba, Fußball und die Strände gehören für die Armen wie die Reichen zum Leben dazu.
Ich habe mich noch nie unsicher gefühlt und auch diesmal gab es keine Probleme. Vor der Fußballweltmeisterschaft wurde viel für das Image Rios getan und das hat vielleicht heute noch Nachwirkungen positiver Art. Man sieht auch nicht soviel Polizei wie z.B. in Salvador, wo sie alle 50 m standen.
Tara lag im Stadtteil Urca vor Anker und ich lernte schnell Brian und seine Familie kennen, der schon 17 Jahre auf seinem Schiff lebt. Urca ist ein außerordentlich schöner Stadtteil, wo kleine bunte Häuser in engen grünen Straßen stehen und wo auch die Universität beherbergt ist und so ein buntes Leben herrscht. Das Dinghi wurde an einem kleinen Strand mit einer Kette gesichert, wie Brian empfohlen hatte, weniger aus Angst vor Diebstahl, sondern eher wegen der kleinen Kinder die schon mal in ihrer Spiellust übermütig werden und vielleicht mal etwas paddeln üben wollen.
Ich habe mir dann wieder die Stadt erlaufen, wie ich es am liebsten mag. Urca und die Copacabana sind durch einen Tunnel verbunden, 250 m lang und doch optisch weit von einander entfernt. Copacabana ist ein Stadtteil von Rio und die meisten bringen nur damit den Strand in Verbindung. Der ist sehr breit und die Fußball- und Volleyballakrobaten spielen dort, das es eine Freude ist ihnen zuzusehen. Ballbeherrschung wird anscheinend von klein an gelernt, vielleicht in der Hoffnung mal ein ganz großer Sportler zu werden, um für sein Land bei einer Meisterschaft dabei zu sein. Copacabana, an seiner Promenade mit teuren Hotels für Touristen aus aller Welt reichlich bestückt, ist aber auch ein Einkaufsdschungel. Einheimische und Touristen flanieren im Schatten der Hochhäuser durch die Geschäfte, die von Artikeln des täglichen Lebens bis zum teuren Schickimicki alles bitten.
Im Hintergrund sieht man dann die Favelas, wo ein Drittel der Einwohner wohl eher um das tägliche Leben kämpft. Drogen, Prostitution, Gewalt, Hoffnungslosigkeit, keine Schulen, keine Ärzte, wo sich nur hochgerüstete Spezialeinheiten der Polizei rein wagen bleiben den Touristen verwehrt. Die Hoffnungslosen und die Vergessenen würden mich viel mehr interessieren als die Strände, doch die kann man sich eigentlich nur in heruntergeladenen Dokumentationen ansehen und vielleicht mal die Hoffnung äußern, das sich dort irgendwann mal die Lebenssituation ändern wird.
Der Zuckerhut (Pao de Azucar), das Wahrzeichen von Rio, hat auch in Urca die Seilbahnstation. Für 20 Euro fährt man über 2 Stationen nach oben, ein teurer Spaß, den sich aber zigtausend Touristen und auch Einheimische täglich leisten und auch ich muss sagen, dass sich an schönen Tagen jeder Cent lohnt.
Der Ausblick ist gigantisch, Ipanema und Copacabana an der Küste, Urca, Botofoga und andere Stadtteile im gesicherten Buchten umgeben von den Bergen und mahnend wacht auf dem Corcovado, dem 710 m hohen Berg, die Jesusstatue.
Wenn man die Augen vor den Problemen verschließt und man das alles durch eine rosarote Brille sieht, dann kann man Rio noch mehr genießen. Ich sehe aber auch immer von oben die ganze Verschmutzung des Meeres mit Ölfilmen und Plastik und einem Meer, in dem kaum einer Schwimmen geht, was trübe ist und stinkt. So bleibt Rio auch immer eine Hassliebe – und die Frage muss erlaubt sein, ob Brasilien mit seiner steigenden Einwohnerzahl das alles stemmen kann. Die Fußballweltmeisterschaft ist vergangen und die Olympischen Spiele beginnen im nächsten Jahr und man kann nur hoffen, dass die Welt genau hinschaut, die Politiker dies registrieren und härter an den Problemen arbeiten.