German Engineering und Stress pur

Ist das System in dem wir leben nicht verrückt? Alles just in time, ob Autos oder Kühlschränke, die Teile kommen heute aus 50 Ländern und werden dann zusammengesetzt und sollen dann auch noch pünktlich ankommen. Streikt ein Rädchen droht gleich Kurzarbeit oder Stellenabbau.

Und irgendwie scheint sich dieses System auch in unser Privatleben einzuschleichen.

Nach dem Tot meines Bruders Ende November musste ich von Trinidad zurück nach Deutschland. Ein Tag nach der Beerdigung saß ich schon wieder im Flieger zurück nach Trinidad, da Anja einen Tag später ankommen sollte.

Am Tag ihrer Ankunft schaffte ich es doch noch Tara ins Wasser zu bekommen, doch damit war sie noch lange nicht reise klar, um nach Grenada zu segeln, um dort Gabi pünktlich abzuholen. Vieles musste noch erledigt werden. Die Segel mussten noch gesetzt werden. Das Schlauchboot musste aufgrund seines Alters geklebt werden, da sich der Kleber langsam auflöst, eine Halterung für meine Deckbeleuchtung musste noch neu gebaut, da die alte den maritimen Alltag nicht standhielt und meinte rosten zu dürfen und viele Kleinigkeiten, die sich dann immer wieder summieren.

Meine letzten TT-Dollar habe ich dann für Lebensmittel ausgegeben und begabt mich dann zur Immigration, hatte aber nicht damit gerechnet das man dort auch noch Geld wegen Sonntagsschicht haben wollte. Also beschlossen wir lieber noch zwei Tage dran zu hängen, um dann doch mal nach Port of Spain zu fahren, was sich durch die bunten Märkte als recht sehenswert erwies.

Dienstags klarierten wir dann endgültig aus und man gab uns 1 Stunde Frist zum ablegen, also ging es im Eiltempo zur Tara und dann ging es mit ihr noch mal zur Tankstelle um die Kanister voll zu füllen. Alles lief ordnungsgemäß und der Motor wurde mehrfach geprüft und alles war in bester Ordnung. Kaum waren wir eine halbe Meile weg, da bemerkte ich plötzlich das kein Wasser mehr aus dem Auspuff kam. Shit, dachte ich, da haste dir wahrscheinlich eine Plastiktüte eingefangen, wie schon mal in Marokko. Als ich mir den Motorraum anschaute stand dort alles unter Wasser. Anja stand an der Pumpe und ich schaltete den Motor aus, um ihn nicht zu überhitzen. Die Segel gingen hoch und es wurde zurück zur Marina gekreuzt und es ging wieder in die alte Box.

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Nun waren wir Illegal im Land, denn wir hatten keine gelüste auf erneutes Einklarieren. Der Fehler war schnell gefunden. Die Schellen vom Wassersammler am Auspuffsystem waren kaputt und eigentlich eine Reparatur von 5 Minuten, da ich große Reserveschellen an Bord habe. Nach dem Starten der Maschine stellte sich dann auch noch heraus, dass aus dem Edelstahlgehäuse Wasser auslief. Das Gehäuse war schlicht und ergreifend korrodiert. Hätte das Problem nicht auftreten können als ich den Motor mehrfach in der Woche getestet hatte?

Der Schaden war da und es waren noch ungefähr 46 Stunden Zeit, um Gabi pünktlich im etwa 80 Meilen entfernten Grenada abzuholen. Am nächsten Morgen ging es direkt in den empfohlenen Schweißladen, doch der Chef war noch unterwegs. Die Zeit wurde genutzt um einen neuen Wassersammler zu kaufen, doch alle angebotenen Kunststoff-Wassersammler waren zu groß für Tara. Also wieder zum Schweißladen, doch der Chef machte mir keine Hoffnung das Teil Schweißen zu können. Ein Rohr mit 16 cm Durchmesser musste her, um so etwas selber zu bauen und es wurde von mehreren Leuten herum telefoniert, doch so etwas gab es nicht auf der Insel, es sei denn ich würde ein 5 m Rohr kaufen. Vor Januar wäre da nichts zu machen.

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Eine Lösung musste her – und da fiel mir meine Kochtopfsammlung auf der Tara ein und ich wusste dass einer 16 cm Durchmesser hatte. Auf dem Boot wurde er gleich ausgekramt und getestet. Der passte genau und so lief ich zur Schlosserei und demonstrierte die Lösung. Alles war am Lachen, wie man denn auf so eine Idee kommen könnte, doch die Antwort war einfach. Deutsches Engineering. Eine Lösung gibt es immer. Und so baute mir der Chef für 50 Euro einen „Exhaustet Pott“ (da weiß man auch warum so etwas Auspufftopf bei uns heißt).

Das Teil wurde fotografiert und ging damit auch in die Firmengeschichte ein. Alle die das Teil gesehen haben waren begeistert – und es funktionierte auch noch!

Am späten Nachmittag liefen wir aus und segelten hoch am Wind nach Grenada, wo wir am nächsten Mittag, nach 92 Meilen, 4 Stunden vor Gabis Ankunft ankamen. „Just in time“ – eben aber auch Stress pur!

Freitag – und dann auch noch der Dreizehnte!!!

Ein ungeschriebenes Gesetz in der Seefahrt besagt, dass man an einem Freitag nichts neues Starten sollte, auch nicht am 13ten Tag eines Monats. Zwei negative Vorzeichen könnten das auch wieder ins positive Umkehren, denn man hat ja mal gelernt, das Minus und Minus Plus ergibt. Aber eben nicht in der Seefahrt. Was hat mich also getrieben am Freitag, den 13. den Anker zu Lichten um 3 Meilen weiter nach Le Marin (ich bin zur Zeit in Martinique) zu fahren? Sicher die Unwissenheit über Tag und Datum, doch Unwissenheit schützt ja nun auch vor Strafe nicht. Und so ein ungeschriebenes Gesetz interessiert sich auch nicht dafür, dass ich versuche, nach dem Stress der letzten Monate, herunter zu kommen und mich zu entspannen.

Also ging ich noch vor dem Frühstück am besagten Tag ankerauf, um die Flaute früh morgens zu nutzen. Als der Anker oben war ging ich ins Cockpit und legte den Gang ein. Hoppla, was ist das, dachte ich, als der Gashebel nicht das machte wofür er eigentlich seinen Namen trägt, nämlich Gas geben, um nicht in dem Ankerfeld herumzutreiben.

Potzblitz, da war mir doch mal eben der Gaszug gerissen. Schnell rannte ich wieder zum Ankerkasten und ließ den 20 Kilo Haken wieder in 7 m Tiefe in den Sand sausen. Okay, dachte ich, den Tag haste dir wieder mit Arbeit versaut.

Ich haute mir also einen Kaffee in den Kopf und schaffte es innerhalb weniger Minuten aus einem aufgeräumten Schiff eine Messihöhle zu machen. Ich wusste ja, wo der neue Gaszug verborgen lag, tief unter der Steuerbordachterkoje. Wie gut, dass man ja Vorsorge betreibt. Um an den Gaszug zu kommen musste ich dann den Motorraum freilegen, der sich unter dem Niedergang befindet. Und was stand da nicht alles im Weg! Doch das war noch lange nicht alles, denn die Backbordkoje musste auch frei geräumt werden. In der befand sich neben dem Polster mein Fahrrad, ca. 40 Liter Wasser in einer Kiste, Holzleisten und Eimer usw. Dann war draußen die Steuersäule dran, die musste auseinander gebaut werden um die Mechanik für Gas- und Getriebezug freizulegen.

Chaos machen geht schnell, doch dann ging es mit der schweißtreibenden Arbeit weiter. Ich zog erst einmal den neuen Gaszug durch den Motorraum, dann unter dem 180-Literdieseltank und dann durch eine Öffnung im Cockpitboden durch das Edelstahlgestänge der Steuersäule bis zur Mechanik des Schaltgetriebes. Als ich mich wieder zum Motorraum runter hangelte stellte ich fest, das der neue Gaszug zu kurz war. Ob das am Freitag den 13ten lag oder an der Dummheit des Skippers wollen wir mal hier nicht klären. Das Teil wurde zu kurz bestellt. Verdammte hacke, dachte ich. Was soll´s, wenn du schon das Chaos hier verursacht hast, dann kannst auch gleich den Getriebezug auswechseln, dafür wird der neue wohl langen. Doch auch da stellte ich fest, das es nur ganz ganz knapp passen könnte!

Ich machte das Dinghi klar, nahm den ausgebauten Gaszug, fuhr an Land und nahm den nächsten Bus nach Le Marin. Im Bus fummelte ich dann noch an meinen Geldgurt, um zu schauen ob dort noch Geld drin versteckt war und merkte dabei nicht, das mein Handy auf dem Boden gefallen war. Als ich dann aus dem Bus stieg merkte ich schnell und doch zu spät, das mein Handy mich mit dem Bus verlassen hatte. Verdammter Freitag der Dreizehnte. Was tun? Ich entdeckte meine Sportlichkeit und lief dem Bus hinterher und das bei 30 Grad mit Sandalen und Rucksack. Doch aufgeben ist ja nun auch mal nicht meine Sache. Nach gut einem Kilometer verlor ich in dem Gassengewussel den Überblick, denn von irgendwo musste der Bus ja wieder herunter kommen. Wenn man den Überblick verliert sollte man zum Ausgangspunkt zurückkehren, also rannte ich die ganze Strecke wieder zurück um auf die Rückkehr des Busses zu warten. Zeitnah zu meiner schweißtreibenden Rennerei kam dann auch der Bus mit der netten Busfahrerin. Ich sagte ihr, dass ich mein Handy verloren hatte und es eben suchen wollte. Mitleidig schenkte sie mir in ihrer Entspanntheit ein Lächeln und ich ging zu den hinteren Sitzen. In der Nähe saß ein dunkelhäutiger Rasta und schaute mich unbekümmert und fragend an. Und was soll ich sagen, mein Handy lag immer noch unter dem Sitz und stolz verließ ich den Bus.

Der Preis für das Verdadeln und Wiederfinden meines Handys war das ich vor geschlossenen Geschäften stand, denn es war Mittagspause. Schulkinder, von denen ich mir erhofft, das sie Englisch sprachen, fragte ich nach einem Telefonladen, wo ich mir eine Internetkarte kaufen könnte. Das mit dem Englisch klappte nicht, doch es war zumindest lustig und nett. Doch auch die beiden Läden waren Mittags geschlossen. Also vertrieb ich mir die Zeit in einem Supermarkt und kehrte dann zurück zu den Telefonläden, um dann festzustellen, das ich keinen Ausweis dabei hatte. Von dort ging es zurück zum Ersatzteilladen, wo ich gleich zwei Züge für Gas und Getriebe erstand. Da der Bus, wenn die Geschäfte wieder aufmachen, knapp 3 Stunden Pause macht schlug ich die Zeit mit Läden gucken und Bier trinken tot. Überpünktlich machte ich mich auf dem Weg zur Bushaltestelle, als 20 Minuten vor der eigentlichen Abfahrtszeit ein Bus an mir vorbei fuhr. Ich erschrak mich so, dass ich zur Seite torkelte und in ein Zaun fiel, wobei ich mir an den Drähten mein schönes Duisburg-T-Shirt aufriss. Freitag, der 13te eben.

An der Bushaltestelle saß ein betröppelt drein blickender Typ, der meinte um eine Minute den Bus verpasst zu haben. Die Busfahrer scheinen neben den Abfahrtzeiten auch noch Gleitzeit zu haben und meinen wohl je eher sie ihre Runden gedreht haben, desto früher sitzen sie mit dem Glas Rotwein auf der Terrasse. Der nächste Bus sollte in einer Stunde kommen und ich fing eine Unterhaltung mit dem Typen an, der sich als Deutscher herausstellte. Er hieß zudem auch noch Uwe, ließ sich aber von Ausländern lieber bei seinem zweiten Vornamen Max rufen. Uwe auszusprechen fällt allen schwer und das ausgesprochene Juwi fand er hörte sich zu schwul an. Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht! Uwe – Max war abgebrannt, zeigte seine frischen Narben einer Herzoperation und hoffte, dass die 99000 Euro Rechnung für zwei Monate Krankenhausaufenthalt in Martinique von seiner heimatlichen Krankenkasse bezahlt werde. Zudem streikte sein Dinghi, mit dem er von Saint Anne nach Le Marin gefahren ist, plötzlich. Als ich ihm sagte, dass es Freitag, der 13te sei, wurde auch ihm alles klar.

Hartnäckig versuchte er per Anhalter weiter zu kommen und tatsächlich hielt ein Handwerker mit seiner Rumpelkammer an und nahm uns mit, denn auch er hatte ein Boot in Saint Anne.

Uwe-Max fuhr ich dann mit meinem Dinghi zu seinem Wharran-Katamaran, wo er gleich von seiner Frau und seinem Sohn zusammengeschrien wurde, wieso er ohne Dinghi nach Hause kommt. Wer von uns beiden nun einen besseren Freitag den 13ten hatte dürft ihr nun beurteilen!!!